Fortpflanzungs­medizin / Kinder­wunsch

Die Fortpflanzungsmedizin (auch Reproduktionsmedizin) befasst sich als Spezialgebiet der Medizin zum einen mit den biologischen Grundlagen und Mechanismen der menschlichen Fortpflanzung und zum anderen mit der Kontrolle der Zeugungsfähigkeit und deren Störungen. Im Mittelpunkt der modernen Fortpflanzungsmedizin steht dabei die Unterstützung von ungewollt kinderlosen Paaren mittels assistierter reproduktionsmedizinischer Behandlungen (ART). In diesem Zusammenhang unterstützen wir Gynäkologinnen und Gynäkologen, Reproduktions- und Pränatalmedizinerinnen und Pränatalmediziner sowie deren Patientinnen und Patienten bei der Diagnostik und genetischen Beratung.

Eine Fertilitätsstörung, auch Unfruchtbarkeit, liegt vor, wenn trotz ungeschütztem Geschlechtsverkehr das Eintreten einer Schwangerschaft innerhalb eines Jahres ausbleibt. Die Gründe für eine Störung der Fruchtbarkeit sind sehr vielfältig. Sie können sowohl die Frau als auch den Mann betreffen und organischer (z. B. Anzahl / Qualität der Samenzellen, Erkrankungen der Geschlechtsorgane), endokrinologischer (z. B. Hormonstörung), psychischer oder auch genetischer Natur sein.

Genetische Ursachen von weiblichen und männlichen Fertilitätsstörungen bei Kinderwunsch sind unter anderem:

  • Numerische oder strukturelle Chromosomenveränderungen (z. B. Klinefelter-Syndrom, Turner-Syndrom)
  • Prämature Ovarialinsuffizienz (POI)
  • Adrenogenitales Syndrom (AGS)
  • Azoospermie und Oligozoospermie (Y-chromosomale Mikrodeletion, CFTR-Varianten)
  • Hypogonadotroper Hypogonadismus

Im Durchschnitt trägt jeder gesunde Mensch zwei bis drei pathogene Varianten in verschiedenen Genen, die mit schwerwiegenden autosomal-rezessiv vererbten Krankheiten im Kindesalter assoziiert sind. Dadurch haben gesunde, nicht blutsverwandte Paare mit Kinderwunsch, die eine pathogene Variante im selben Gen tragen, ein Risiko von 25 %, ein Kind mit einer schweren rezessiv vererbten Erkrankung zu bekommen.

Mit dem Carrier-Screening (auch Heterozygoten-Screening genannt) besteht für Paare mit Kinderwunsch die Möglichkeit, sich auf eine Anlageträgerschaft für rezessiv vererbte Erkrankungen testen zu lassen. Durch die Testung beider Partner kann so das individuelle Risiko für die gemeinsamen Kinder abgeschätzt werden.

Ein Risiko besteht, wenn beide (für autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen) oder die Partnerin (für X-chromosomal-assoziierte Erkrankungen) Träger für die jeweilige Erkrankung sind. Das Carrier-Screening kann so Paaren helfen, die eigene Familienplanung gezielt anzugehen.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID; auch preimplantation genetic diagnosis (PGD)) bezeichnet alle genetischen Untersuchungen an Zellen eines durch künstliche Befruchtung (auch In-vitro-Fertilisation (IVF)) gezeugten Embryos.

Diese Untersuchungen finden vor der Übertragung des Embryos in die Gebärmutter, also vor Eintritt einer Schwangerschaft, statt. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt werden dem Embryo hierbei einige Zellen entnommen, die auf das Vorliegen bestimmter Krankheiten untersucht werden können.

In der Regel wird eine PID durchgeführt, wenn ein Paar mit Kinderwunsch eine Veranlagung für eine schwere genetische Erkrankung trägt und verhindert werden soll, dass Kinder des Paares an der Krankheit erkranken werden.

Eine weitere Möglichkeit für eine PID ist das sogenannte Präimplantationsscreening (auch Aneuploidie-Screening oder preimplantation genetic screening (PGS)). Diese Untersuchung soll im Rahmen einer IVF-Behandlung jene Embryonen identifizieren, die das grösste Potential für einen erfolgreichen IVF-Zyklus haben.

Man kann folgende PID-Analysen unterscheiden:

  • PGT-A: PID für chromosomale Aneuploidien (Testung auf numerische Fehlverteilung von Chromosomen)
  • PGT-M: PID bei monogenetischen Erkrankungen (Testung auf bekannte pathogene Variante beim Paar)
  • PGT-SR: PID für strukturelle Chromosomenaberrationen (Testung auf strukturelle Chromosomenveränderungen, z. B. reziproke oder Robertson’sche Translokationen und Inversionen)